Die Anliegen-Methode
Übersetzt von Dorothea Richey ... Danke!
Bitte beachten Sie, dass dieses Stück im Jahr 2016 geschrieben wurde und sich die Methode seitdem geändert hat. Vieles von dem, was hier beschrieben, ist jedoch immer noch relevant und nützlich. Vivian
(Identitäts-orientierte Psychotrauma Therapie, entwickelt von Professor Franz Ruppert)
Diesen Artikel habe ich schon seit einer Weile schreiben wollen, und schließlich dazu gebracht hat mich die Korrespondenz mit Marta Thorsheim vom Norwegischen Institut für Traumatologie und ihre Korrespondenz mit Kathleen Man Gyllenhaal, der Produzentin des Films In Utero sowie deren Blog Why It’s Time to Stop Attacking Moms (Warum es an der Zeit ist mit den Angriffen auf Mütter aufzuhören) in der Huffington Post.
Einleitung
Die Methode des Anliegen-Satzes, genannt die Anliegen-Methode, wurde entwickelt über einen Zeitraum von 25 Jahren zusammen mit der Theorie der Identitäts-orientierten Psychotrauma Therapie (IoPT). Diese Theorie hat die Entwicklung der Methode geprägt, und die Methode hat als Forschungsinstrument für die Entwicklung der Theorie gedient.
Das ist wie es sein sollte: Eine Theorie muss sich auf die Realität beziehen und die Realität muss die Theorie bestätigen, oder weitere Fragen aufwerfen, die zu beantworten sind. Die beste Methode beantwortet die Fragen, die von der Theorie aufgezeigt werden, und die Theorie bietet einen Rahmen, der erklärt, was in der Methode geschieht. Diese parallele Entwicklung von Theorie und Methode hat die Entwicklung einer Methode erlaubt, die passt, die direkt auf die Erfordernisse eingeht, die die Theorie als notwendig aufzeigt.
Daher macht es keinen Sinn lediglich die Methode zu diskutieren, ohne über den grundlegenden theoretischen Rahmen zu sprechen, da sich dieser auf die Methode bezieht. Weil dieses Essay eine detaillierte Darstellung der Methode beabsichtigt, und die theoretischen Untermauerungen komplex sind, werde ich nur einige wenige Grundsätze der Theorie wiedergeben, die für die Methode besondere Erfordernisse aufzeigen. Es bleibt dem Leser überlassen, die Theorie in den Büchern von Professor Ruppert und mir selbst weiter zu erforschen, oder auch in weiteren Blog Artikeln auf meiner Website (www.vivianbroughton.com).
Herkunft
Die Anliegen-Methode hat ihren Ursprung im Psychodrama (entwickelt von Jacob Moreno in den 1920ern), der Familienskulptur, Familienrekonstruktionstherapie (Virginia Satir, 1970er) und der Familien-Aufstellungsarbeit von Bert Hellinger (1990er). All diese wurden genutzt, um einem Klienten (manchmal auch Protagonist genannt) zu helfen, seine psychologischen Probleme zu erforschen. Als solche sind all diese Methoden Psychotherapien. Sie fanden hauptsächlich in Gruppen statt, wobei Gruppenmitglieder wesentliche Familienmitglieder und manchmal andere relevante Elemente spielten.
Bert Hellinger gab der “Rollenspiel”-Arbeit von Psychodrama und Familienskulptur eine neue Richtung, die er „Stellvertretung“ nannte. Zwischen Rollenspiel und Stellvertretung besteht ein wichtiger Unterschied:
Rollenspiel - gewählte Gruppenmitglieder erhalten Informationen (körperliche Haltung, auch innere Haltung, manchmal häufig gemachte Aussagen) über das Familienmitglied, welches sie spielen sollen. Ziel ist es, dem Klienten zu helfen, neue Interaktionswege mit dem Familienmitglied zu finden und um vielleicht eine emotionale Katharsis zu erleben, zu welcher sie in ihrer Realität als Kind nicht imstande waren.
Stellvertretung - ist ganz anders. Die gewählten Gruppenmitglieder bekommen für gewöhnlich sehr wenig Informationen, oft gar keine, und sobald sie in der Aufstellung* stehen, sind sie frei, ihrem eigenen Gefühl zu folgen, was auch immer dieses ist. Stellvertreter können sich bewegen, sprechen und Gefühle, Gedanken und Ideen ausdrücken; all das ausdrücken, womit sie während der Stellvertretung in Berührung kommen.
Die Hypothese, mit der wir arbeiten, ist, dass die Erfahrungen der Stellvertreter für den Klienten und die Lösung seines Themas nützliche Informationen hervorbringen. Dies ist selbstverständlich eine außerordentliche These. Nichtsdestotrotz hat sie sich in den mehr als dreißig Jahren, in denen viele Menschen mit diesem Phänomen gearbeitet haben, und in meiner eigenen fast zwanzigjährigen Erfahrung, wieder und wieder bestätigt. Repräsentanten warten häufig mit Informationen auf, die sie unmöglich wissen können, mit Erfahrungen, die zum Klienten gehören, die er aber noch niemals in Worte hat fassen können, sogar mit sachlichen Informationen, von denen der Klient nichts weiß, die er jedoch später bestätigen kann.
Das Phänomen ist bisher noch nicht vollständig erklärt worden, die naheliegendste Erklärung ist die Idee von „Resonanz“. So nehmen wir an, dass der Stellvertreter mit dem, was er oder sie repräsentieren soll, resoniert, dass er in gewisser Hinsicht mit dem Unbewussten des arbeitenden Klienten resoniert.
Die Bezeichnung „limbische Resonanz“ wurde geprägt von Thomas Lewis, Fari Amini und Richard Lannon, Professoren für Psychiatrie an der University of California, in ihrem Buch Eine allgemeine Theorie der Liebe. Sie beschreibt die non-verbale emotionale Verbindung, die sich zwischen Menschen, vor allem zwischen Mutter und Kind, in einer guten Bindungssituation entwickelt. Anders ausgedrückt sind wir alle sehr viel mehr miteinander verbunden als nur über die uns bewusste Verbindung. Das Resonanz-Phänomen kann direkt verknüpft werden mit dem neuronalen assoziativen Gedächtnis, erwähnt im Buch Eine allgemeine Theorie der Liebe als Neuronale Netzwerk Theorie.
*Der Begriff “Aufstellung” wurde eingeführt von Hellinger in dessen Entwicklung von Familienaufstellungen. In unserer Arbeit nutzen wir diese Bezeichnung nicht mehr, stattdessen sprechen wir von einer „persönlichen Erforschung“ oder von „persönlicher Arbeit“.
Theoretische Detailpunkte
Bevor ich den tatsächlichen Vorgang beschreibe, möchte ich einige Punkte der Theorie aufzeigen, die beeinflussen wie mit der Methode gearbeitet wird. Diese beinhalten in erster Linie ein Verstehen von Trauma und den bleibenden Auswirkungen auf die Person und die Theorie von sehr früher, sogar vorgeburtlicher, fötaler Traumatisierung.
Trauma ist vor allem jenseits von „Kampf und Flucht“. Es ist eine Situation, in der das Opfer vollkommen hilflos ist und überwältigt wird von den herrschenden Kräften. Wer die Möglichkeit hat zu kämpfen oder zu flüchten, ist nicht völlig hilflos; dies als Trauma zu bezeichnen ist nicht korrekt. Die echte Traumareaktion ist Einfrieren (Unbeweglichkeit, Resignation, Aufgeben) und Fragmentieren (Dissoziation und psychologische Spaltung).
Im Beziehungstrauma, mit welchem wir gewöhnlicherweise arbeiten, handelt es sich um eine Situation, in der die andere Person (der Täter) alle Macht hat, und das Opfer, die traumatisierte Person, gar keine.
Natürlich gibt es sehr viel mehr darüber zu sagen, aber für den Zweck dieses Essays ist folgendes wichtig: jede spätere Situation, in welcher eine Person Hilflosigkeit erfährt, sich von jemandem in irgendeiner Weise überwältigt fühlt, wird wahrscheinlich unnötigerweise das ursprüngliche Trauma wieder in Gang setzen.
Dies hat schwerwiegende Auswirkungen darauf, wie eine Therapie bewältigt wird. Schafft die Therapie in irgendeiner Form ein Ungleichgewicht zugunsten des Therapeuten (man denke daran, dass die meisten Leute freiwillig in Therapie gehen und dem Therapeuten manchmal außergewöhnliche Macht geben) so besteht für den Klienten die Gefahr von Re-Traumatisierung; und einer weiteren Bestätigung von Opfersein und Hilflosigkeit.
Manchmal ist das Leben einer traumatisierten Person vollkommen festgelegt auf ihr Gefühl von Opfersein und Hilflosigkeit, und Teil ihrer Trauma-Überlebensstruktur besteht darin, Autorität und Macht und die Lösung ihrer Probleme im Außen, in anderen Personen zu sehen. Ihre Wahrnehmung ist, dass sie jemanden brauchen, der sie rettet, und für sie ist in der therapeutischen Umgebung der Therapeut die Personifizierung dieses Retters. Der Therapeut muss vermeiden mit dieser Haltung von Hilflosigkeit zusammen zu wirken, weil die Person in der Realität nicht hilflos ist. Die respektvolle Haltung vor der jetzt-und-hier Fähigkeit der Person, die Therapie selbst zu lenken und einen eigenen Lebenssinn zu haben, lebt der Therapeut in seiner Herangehensweise und Präsenz. Er oder sie deutet nicht die Realität oder leitet die Arbeit. Der Therapeut ist voll und ganz anwesend, um den Raum zu bieten, die Prozedur zu tragen und um zu versuchen zu verstehen was geschieht; er organisiert jedoch nicht das Geschehen oder zeigt in irgendeiner Weise, wo es langgeht, außer dass er den grundlegenden Rahmen schafft (siehe unten).
Der Therapeut wird manchmal Begleiter genannt, und das macht Sinn, denn tatsächlich ist er da, um den Klienten bei seiner Erforschung zu begleiten, nicht um das Geschehen zu choreografieren. Stattdessen lernt er selbst von dem Geschehen und hilft dadurch dem Klienten, in dem was er sieht einen Sinn zu erkennen.
So ist der therapeutische Ansatz eine kontinuierliche disziplinierte Haltung von Vertrauen in den Klienten als die Person, die die Antworten kennt (wenn auch oft nicht bewusst) und die fähig ist, die Verantwortung für die eigene therapeutische Forschung zu übernehmen.
Die meisten Ursprungstraumata sind vorsprachlich
Der zweite Punkt ist, dass die meisten von uns sehr früh ihr erstes Trauma erlitten, sogar bereits vor der Geburt, also zu einer Zeit ohne bewusste Erinnerung, weshalb über das Trauma nicht mit irgendeiner persönlich erinnerten Information gesprochen werden kann. Im Allgemeinen sind wir was diesbezügliche Information betrifft abhängig von den Erwachsenen, die um uns herum waren während Schwangerschaft, Geburt und den Monaten nach unserer Geburt, hauptsächlich von unseren Eltern. Auf diese Informationen ist jedoch nicht immer Verlass; oft sind es Halbwahrheiten, verzerrte Wahrheit oder manchmal auch gänzlich unwahr. Es gibt viele Gründe, warum Eltern mit der Wahrheit sparsam umgehen, vornehmlich aufgrund ihrer eigenen Traumatisierung, was bedeutet, dass die Erzählungen über uns vom emotionalen Schmerz der Eltern abgeleitet sind; oft sind es einfach nur Geschichten.
Ein zusätzlicher Faktor ist, dass jede spätere Trauma-Erfahrung immer teilweise ein Wiederauftreten des Ursprungstraumas ist; die Erfahrung von Hilflosigkeit durchdringt und durchwandert Zeit. Im kürzlich erschienenen Film In Utero (eine Erforschung des kindlichen Lebens im Mutterleib mittels therapeutischer Erfahrungen und neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse), sagt einer der Präsentatoren: „Jedes Trauma ist vorgeburtlich.“ Oder in anderen Worten, wie ich es oben ausgedrückt habe, jedes spätere Trauma hat seinen Ursprung in und erinnert uns an unser frühes vorgeburtliches Trauma.
Wenn wir also mit Erfahrungen arbeiten, die sich ereigneten, bevor die begreifende Erinnerung (für gewöhnlich im Alter von zwei bis drei Jahren) einsetzt, müssen wir in der Lage sein, diese frühen Erfahrungen über die im Körper gespeicherten Informationen zu erreichen. Auf kognitives Erinnern, welches oft in sich entstellt ist, können wir uns nicht verlassen. Im Körper gespeicherte Erfahrung jedoch kann nicht lügen, obwohl natürlich unsere Interpretation des physischen Phänomens weit entfernt von der Wahrheit sein mag. Also benötigen wir eine Methode, die einen brauchbaren Zugang zu den Informationen hat, und die Anliegen-Methode kann hierbei außerordentlich effektiv sein.
Sicherheit
Ein letzter Punkt ist: wenn wir mit Traumatisierung arbeiten, muss der für und durch die Arbeit gegebene Rahmen vom Klienten als ausreichend sicher erlebt werden.
Noch einmal zurück zur Theorie: unsere grundlegende Trauma-Theorie besagt, dass unsere instinktive und unkontrollierte Reaktion auf Trauma Abspaltung ist; das unerträgliche, traumatisierende Erlebnis wird abgespalten und oft dem Unbewussten überlassen. Spaltung nach einem Trauma ergibt drei Ich-Anteile: den traumatisierten Anteil (die Abspaltung des Traumas), den ursprünglichen gesunden Anteil (der gut funktioniert, wenn wir uns sicher fühlen) und der Überlebens-Anteil (siehe Diagramm). Letzterer ist der interne Mechanismus, der uns nicht erlaubt in unserer therapeutischen Erforschung weiter zu gehen, als sich sicher anfühlt. In konventionelleren Therapien wird er “Widerstand” oder “Abwehr” genannt. Wir nennen diesen Teil das Überlebens-Ich, weil es im wörtlichen Sinn derjenige Anteil ist, der auftritt, um unser Überleben zum Zeitpunkt des Traumas sicherzustellen. Seine bleibende Funktion besteht darin, die Trauma-Erfahrung im Unbewussten zu halten, und daher wird er uns unterbrechen, wenn wir noch nicht ausreichend bereit sind, die Situation zu bewältigen. Der Überlebens-Anteil dient als Schutzmechanismus.
Wir brauchen also einen Prozess, der:
- dem Klienten erlaubt, verantwortlich zu sein;
- geeignet ist, Zugang zu sehr frühen, vorsprachlichen Informationen zu erhalten;
- einen störungssicheren Mechanismus bietet, der den Prozess für den Klienten machbar und sicher genug hält, und schließlich…
- nützliche Einsichten und Veränderung der Wahrnehmung bietet sowie eine Umgebung schafft, in der der Klient den Ausdruck der abgespaltenen Traumareaktion erleben kann, wenn er dazu bereit ist.
Letzteres führt uns zum Verstehen des Trauma-Heilungsprozesses. Viel gegenwärtige Trauma-Arbeit zielt darauf ab, dem Klienten dabei zu helfen mit seinen Trauma-Symptomen zurecht zu kommen, siehe aktuelles DSM-5 (amerikanisches Diagnose-System) PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung, die übrigens keine Definition darüber enthält, was Trauma tatsächlich ist, sondern nur die möglichen Erfahrungen listet, die Traumata hervorrufen können; außerdem die Anhaltspunkte liefert, anhand derer bestimmt wird, dass etwas Traumatisierendes geschehen ist: die Symptome).
Wir schlagen vor, dass Trauma-Heilung im Wesentlichen bedeutet, abgespaltene Anteile, die das Ergebnis von Traumatisierung sind, zu integrieren. Das klingt simpel, braucht jedoch Hingabe und Zeit. Das „Überlebens-Ich“, oben kurz beschrieben, ist nicht, wer wir wirklich sind; es ist eine Art zu sein, die wir unbewusst entwickelt haben, um uns vor dem Wiedererleben unseres Traumas zu schützen. Demnach ist ein Weg den Heilungsprozess zu beschreiben, zu erforschen, wer wir wirklich sind… unsere wahre Identität. Das ist nicht einfach oder bequem; es ist ein Schritt-für-Schritt Prozess unser Selbst zurückzugewinnen, unsere Identität von den Trauma-Auswirkungen zu befreien. Dies kann man nicht übers Knie brechen; die unbewussten Überlebensinstinkte der Person können es nicht erlauben, daher geschieht es durch Veränderungen der Wahrnehmung, neue Einsichten und Verständnis, und wenn möglich, indem wir mit unseren traumatisierten Anteilen in Kontakt kommen.
Die Anliegen-Methode
Ein Anliegensatz
Die Arbeit beginnt damit, dass die Person, die ein Thema erforschen will (der Klient), sich für einen Anliegensatz entscheidet. Das kann eine Weile dauern, weil die Person vielleicht keine klare Vorstellung darüber hat, was sie will. Schließlich formuliert der Klient sein Anliegen in einem Satz, den er auf ein Flipchart schreibt. Das kann so etwas sein wie „Ich will mich in mir entspannter fühlen“ oder „Warum fühle ich mich oft so ängstlich?“
Das Thema und wie der Satz formuliert wird, liegt ganz beim Klienten. Es ist seine Intention und kann nur von ihm in Worte gefasst werden. Der Therapeut/Begleiter hört dem Klienten aufmerksam zu, macht aber keine Vorschläge und mischt sich in keiner Weise in die Entwicklung des Anliegens ein.
Wenn der Klient sein Anliegen in einen Satz formuliert hat, schreibt er ihn auf. Dies ist der Rahmen für die Erforschung, und an diesen Rahmen halten wir uns, indem die einzelnen Worte des Satzes repräsentiert werden. Und nur diese.
Anfangsphase
Die Arbeit beginnt damit, dass der Klient ein Wort seines Anliegensatzes wählt und jemanden in der Gruppe bittet, mit diesem Wort zu resonieren. (Die Arbeit kann in Einzelsitzungen gemacht werden, aber in diesem Essay werde ich diesen Vorgang nicht beschreiben.)
In der Anfangsphase gibt es also zwei Personen: den Klienten selbst und ein Gruppenmitglied, das einverstanden ist, mit dem vom Klienten gewählten Wort zu resonieren. Wenn wir zum Beispiel den ersten oben genannten Satz nehmen, könnte der Klient das Wort entspannter wählen; dann gäbe es zu Beginn ihn und eine Person, die das Wort entspannter repräsentiert. Gemeinsam erforschen sie ihre Erfahrung, in welcher Weise auch immer. Beide können sich frei bewegen, sprechen oder auch nicht, aber im Allgemeinen folgen sie einfach ihren Impulsen. Hinweis: es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erfahrung der Person, die mit einem Wort wie entspannter resoniert, in irgendeiner Weise einen Bezug hat zu der tatsächlichen Bedeutung des Wortes. Oft ist das tatsächliche Erleben ziemlich das Gegenteil, also vielleicht ein Gefühl von Nervosität, Angst und Unbehagen.
Nach einer Weile, wenn sich nichts weiter ergibt, mag der Klient ein anderes Wort wählen, und eine andere Person, die als Resonanzgeber dient. Jetzt wiederum machen alle drei Personen weiter und teilen ihre Erfahrungen mit.
So wird fort gefahren bis entweder:
- alle Worte präsent sind und die möglichen Einsichten gewonnen wurden, oder
- genügend Worte präsent sind (nicht alle), um ausreichende Einsicht oder Veränderung beim Klienten zu erreichen.
Manchmal wird nur ein Wort repräsentiert und das reicht aus, aber häufiger sind mehrere Worte nötig, um eine Wahrnehmungsveränderung oder eine Einsicht zu erreichen.
Grundsätzlich obliegt es dem Klienten darüber zu entscheiden, wann es genug ist. Manchmal kommt die Arbeit zu einem natürlichen Ende und der Klient ist zufrieden; manchmal entscheidet der Klient, dass es genug ist, weil sich so eine große Menge an Informationen gezeigt hat, dass er beschließt, für jetzt genug gesehen zu haben. Weiter zu gehen könnte ihn überfordern und damit ein Retraumatisierungs-Risiko sein. Oft hat das Gesehene eine mächtige Auswirkung auf den Klienten, bis hin zu einer völligen Umkehr seiner bisherigen Lebenswahrnehmung. Das klingt dramatisch, trifft aber zu auf die Mehrzahl der Erforschungen. Gelegentlich mag der Therapeut dem Klienten vorschlagen, dass es genug ist, vielleicht weil er bemerkt, dass Weitergehen den Klienten überfordern würde; am besten ist es jedoch, wenn der Klient seinerseits dem in aller Deutlichkeit zustimmt.
Schließlich werden die Repräsentanten entlassen und die Arbeit ist beendet.
Erläuterung der Methode
Bei dieser Methode gibt es mehrere Punkte, die wichtig sind hervorzuheben:
- Theoretisch blicken wir durch die Resonanz mit den Worten des Anliegens in die psychische Welt des Klienten in Bezug auf das Thema, welches er zu bearbeiten wünscht. Daher werden alle Repräsentationen als Anteile des psychischen Zustands des Klienten betrachtet. In diesem Sinne handelt es sich um eine “inner-psychische Erforschung”
- Jedoch passiert es häufig, dass manche Repräsentationen für den Klienten als Aspekte seiner Eltern, oder sogar Großeltern erkennbar sind. Dies sind die verinnerlichten Darstellungen dieser Menschen, d. h. der Klient hält sie in seiner Psyche.
- Oft erkennt der Klient in den Erlebnisberichten der Repräsentanten Dinge, die er aus eigener Erfahrung kennt.
- Im Verlauf des Prozesses verändern sich die Erfahrungen aller; manchmal ändert sich das Erleben der Repräsentanten vollständig. Das geschieht oft, wenn etwas gesagt wird, was zuvor nicht gesagt wurde, d.h. wenn Geheimnisse ausgesprochen werden, oder wenn das zuvor „Unaussprechliche“ gesagt wird.
- Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Repräsentanten (d.h. der verschiedenen Worte) verändern sich, entwickeln sich und bewegen sich, und bieten so dem Klienten nützliche Informationen.
- Die Bedeutung der verschiedenen Worte ändert sich häufig und entwickelt sich im Laufe der Arbeit; zum Beispiel kann das Wort know (wissen) sich zu NO! (NEIN!) verändern, oder das Wort „verbinden“ wird zu Mutter oder einem anderen Anteil des Klienten, oder das Wort „unkontrollierbar“ könnte dagegen protestieren kontrolliert zu werden.
- Für gewöhnlich scheint es für alle Worte eine grundlegende Integrität zu geben, wenn sie repräsentiert und zum Ausdruck gebracht werden.
- Oft stellt sich heraus, dass der Anliegensatz eine vollkommen andere Bedeutung hat als ursprünglich angenommen. Dies ist schwierig hier darzulegen, aber es ist oft der Fall, dass ein einfacher Satz eine solch unglaubliche Komplexität an Bedeutung aufzeigt, an die zu Beginn unmöglich gedacht werden konnte.
- Die Komplexität der Bedeutung, die sich zeigt, weist hin auf viele Schichten von Bedeutung und Erfahrung, die das ursprüngliche Anliegen durchdringen.
Nehmen wir zum Beispiel das oben zuerst genannte Anliegen: „Ich will mich in mir entspannter fühlen“. Der Satz wäre völlig anders, wenn er lautete: „Ich will mich mit mir selbst entspannter fühlen“; oder „Ich will mich mit mir entspannt fühlen“; oder “Ich möchte mich leichter in mir fühlen”; oder “Ich will entspannter in mir sein”. Oberflächlich betrachtet drücken alle diese Sätze das Gleiche aus. Das tun sie jedoch nicht. Sagt man sie zu sich selbst, bemerkt man möglicherweise Unterschiede in Betonung und Gefühl. Diese Unterschiede wiegen in der Resonanzarbeit oft schwer und weisen häufig auf Dinge hin, die niemand hätte vorhersehen können.
Und nochmals zurück zum Anliegensatz; der Subtext des Satzes ist: „Ich fühle mich in mir nicht entspannt“ und daher rührt die Frage: Warum? Meiner Erfahrung nach beantwortet das, was in der Arbeit geschieht, diese Frage nahezu immer direkt. In anderen Worten: genau das, was sich in der Arbeit zeigt, ist der Grund, weshalb sich der Klient nicht in sich entspannt fühlt. Dies ist enorm wichtig und für den Klienten oft eine neue Information. Zu sehen, was genau seinem Leidensgefühl zugrunde liegt, ist wesentlich, um es zu verändern. Wenn wir das Warum und Wozu nicht verstehen, können wir nichts ändern.
Schlussfolgerung
Es ist schwierig, die tatsächliche Erfahrung dieser Arbeit in einem Aufsatz darzulegen; es wie oben zu beschreiben ist eine intellektuelle Erläuterung von etwas, was oft hochgradig bewegend ist. Um diese Methode wirklich zu verstehen, muss man sie erleben, mindestens als Beobachter; Mitmachen und mit einem Wort in jemandes Erforschung in Schwingung zu gehen ist jedoch eine außergewöhnliche Erfahrung. Ich arbeite oft mit Menschen, die dies nie zuvor gemacht haben, und fast immer sind sie allein von dieser Erfahrung zutiefst berührt. Und dann eine eigene Erforschung zu erleben, Klient zu sein, sich für eine Absicht zu entscheiden und sie zu formulieren, sie aufzuschreiben, Personen zu bitten mit den Worten zu resonieren und zu sehen, was dann geschieht, ist eine einzigartige Erfahrung. Als Therapeutin, die seit vielen Jahren mit dieser Methode arbeitet, kann ich wahrhaftig sagen, dass ich niemals vorher weiß, was passieren wird, und häufig bin ich genauso überrascht wie jeder andere über das, was geschieht. Ich sehe es als ein gemeinschaftliches Unternehmen von Klient und Therapeut, Stellvertretern und Beobachtern, wovon oft jeder auf irgendeine Weise profitiert.
Literatur
Broughton, V. (2014). Zurück in mein Ich - Das kleine Handbuch zur Traumaheilung
Ruppert, F. (2008). Trauma, Bindung und Familienstellen: Verletzungen der Seele verstehen und heilen
Ruppert, F. (2011). Seelische Spaltung und innere Heilung: Traumatische Erfahrungen integrieren
Ruppert, F. (2012). Symbiose und Autonomie: Symbiosetrauma und Liebe jenseits von Verstrickungen Ruppert, F. (2014). Trauma, Angst und Liebe: Unterwegs zu gesunder Eigenständigkeit - Wie Aufstellungen dabei helfen
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